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Bremen: Immer mehr Menschen steigen aufs Rad
Bremen: Immer mehr Menschen steigen aufs Rad

Bremen: Immer mehr Menschen steigen aufs Rad

Foto: Michael Glotz-Richter, Referatsleitung nachhaltige Mobilität, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Bre­men ist die Stadt der Fahr­rad­fah­ren­den. Obwohl Bre­men im Ver­gleich als fahr­rad­freund­lich gilt, ist die Infra­struk­tur der Innen­stadt noch auf Autos aus­ge­rich­tet. Im Gespräch mit Paul Still­ger vom BUND Bre­men wird klar, wo Bre­men drin­gend nach­bes­sern muss. 

krosse.info-Artikel

Das leise Sur­ren der Stra­ßen­bahn ist durch den Lärm der Moto­ren kaum zu hören. Das Geräusch ros­ti­ger Auto­brem­sen und der Geruch von Abga­sen lie­gen in der Luft. Ein schnel­ler Schul­ter­blick, der Arm geht raus, um das Abbie­gen zu signa­li­sie­ren. Ich fahre ab, auf den schüt­zen­den Rad­weg, wo mich immer­hin ein Bord­stein von den Autos trennt. Kno­ten­punkte wie der Stern, an wel­chen sich die Wege von Stra­ßen­bah­nen, Autos und Radfahrer:innen kreu­zen, sind vor allem für Zwei­rä­der immer wie­der gefährlich. 

Bremen – die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands?

Fast 25 Pro­zent der Stre­cken wer­den in Bre­men mit dem Rad zurück­ge­legt, nur in Kopen­ha­gen und Ams­ter­dam fah­ren Men­schen noch mehr Fahr­rad als in Bre­men. Auf vie­len Abschnit­ten tei­len sich Fahrradfahrer:innen den Ver­kehrs­raum ent­we­der mit Autos oder mit der Stra­ßen­bahn – oder mit bei­den gleichzeitig. 

Im deutsch­land­wei­ten Fahr­rad­klima-Test des ADFC belegt Bre­men trotz­dem den ers­ten Platz in der Kate­go­rie der Städte über 500.000 Einwohner:innen. Dabei hat Bre­men neben man­gel­haf­ter Sicher­heit für Radfahrer:innen noch wei­ter deut­li­che Defi­zite, zum Bei­spiel im Aus­bau der Fahr­rad-Infra­struk­tur, fin­det Paul Still­ger, Experte für Ver­kehr vom BUND Bremen. 

Still­ger for­dert „Bis an die Fuß­gän­ger­zo­nen mehr Abstell­mög­lich­kei­ten“, um das Fahr­rad im öffent­li­chen Raum sicher und geschützt par­ken zu kön­nen. Dazu könn­ten im ers­ten Schritt kom­bi­nierte Fahr­rad- und Auto­park­häu­ser ent­ste­hen, zum Bei­spiel nach dem Vor­bild in der Bre­mer Vio­len­straße. Die Park­mög­lich­kei­ten an Schnitt­stel­len zwi­schen ver­schie­de­nen Ver­kehrs­mit­teln sei eine wich­tige Kom­po­nente, um Fahr­rad­fah­ren attrak­tiv zu gestal­ten. „Gerade an Kno­ten­punk­ten wie Bahn­hö­fen ist eine Rad­sta­tion defi­ni­tiv sinn­voll und bie­tet einen Mehr­wert“ meint der wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter im Bereich Ver­kehr. Das ehe­mals vom ADFC betrie­bene und finan­zierte Fahh­rad-Park­haus am Bre­mer Haupt­bahn­hof ist marode und hatte sich nicht mehr gerech­net. Jetzt wird es von der städ­ti­schen Bre­Park betrie­ben. 

Von der symbolischen zur echten Fahrradstraße 

Doch nicht nur die Park­si­tua­tion hat in Bre­men noch Defi­zite. Wenn Paul Still­ger mit dem Rad zur Arbeit fährt, führt ihn sein Weg durch die Hum­boldt­straße, eine Fahr­rad­straße mit auto­mo­bi­lem Durch­gangs­ver­kehr – bis vor kur­zem. Neu in der Straße ist jetzt ein Modal­fil­ter, so hei­ßen Pol­ler, die die Straße in der Mitte tei­len. Diese Kon­zept habe Zukunfts­po­ten­tial: „Der Nor­mal­ver­kehr mit Pri­vat-PKW ist nicht mehr mög­lich, aber Fahr­rad­fah­rende und Fuß­gän­ger kön­nen pas­sie­ren. Die Qua­li­tät der Fahr­rad­straße hat sich dadurch um ein Viel­fa­ches erhöht“, fin­det er. Anwohner:innen kön­nen so zwar noch ihre Woh­nung errei­chen, Durch­gangs­ver­kehr ent­fällt mit Modal­fil­tern dann aber voll­stän­dig. Diese Ver­sion der Ver­kehrs­re­gu­lie­rung stelle eine über­aus güns­tige und effek­tive Lösung dar und nach eini­gen Wochen der Umge­wöh­nung für alle Verkehrsteilnehmer:innen werde die Ver­kehrs­last erheb­lich reduziert. 

Dass auch Pen­del­stre­cken ver­mehrt mit dem Fahr­rad zurück­ge­legt wer­den, freut Still­ger. „Wir sehen, dass es in Unter­neh­men gro­ßes Inter­esse an Dienst­rä­dern gibt“. Mitt­ler­weile sind die steu­er­li­chen Vor­teile eines Dienst­rads ähn­lich denen eines Dienst­wa­gens, es ist also nicht nur für Arbeitnehmer:innen, son­dern auch für Arbeitgeber:innen inter­es­sant, Fahr­rad- oder Pedelec-Lea­sing für die Beleg­schaft anzubieten. 

Nicht so sicher?! 

Was Men­schen vom Fahr­rad­fah­ren abhält? Mit Sicher­heit die Sicher­heit, oder gerade der Man­gel die­ser. Still­ger sieht die Sena­to­rin für Kli­ma­schutz, Umwelt, Mobi­li­tät, Stadt­ent­wick­lung und Woh­nungs­bau der Stadt Bre­men, Maike Schae­fer, in der Ver­ant­wor­tung. Bei­spiels­weise könn­ten mit Abbie­ge­as­sis­tenz­sys­te­men für LKWs Leben geret­tet wer­den und „selbst wenn wir von 2.500 Euro pro Nach­rüs­tung aus­ge­hen, ist das ver­gli­chen mit dem Wert eines Lebens rela­tiv gering“. Dabei lie­gen die Kos­ten meist noch deut­lich unter 2000 Euro pro Fahrzeug. 

Die Städ­ti­schen Groß­fahr­zeuge der Stadt­rei­ni­gung sowie ein Drit­tel der Busse der BSAG wur­den zwar bereits mit Assis­tenz­sys­te­men nach­ge­rüs­tet, eine Pflicht oder zumin­dest eine Sub­ven­tion für pri­vate Unter­neh­men ist jedoch bis­lang nicht abseh­bar. Um die Gefahr des toten Win­kels in Abbie­ge­si­tua­tio­nen zu ver­rin­gern, gibt es aber auch andere Kon­zepte. Fahr­rad­spu­ren nach hol­län­di­schem Vor­bild zum Bei­spiel, die an Abbie­ge­si­tua­tio­nen nicht im toten Win­kel des moto­ri­sier­ten Ver­kehrs lie­gen, könn­ten das Pro­blem sogar noch bes­ser lösen. Fahr­rad­fah­rende wären eben­falls vor unacht­sa­men PKWs geschützt, nicht nur vor abbie­gen­den Last­kraft­wa­gen. „Das ist super, wenn man das machen kann“ meint Still­ger „aber Bre­men ist eine rela­tiv dicht besie­delte Stadt, des­halb ist der Stra­ßen­raum oft eng und man kann das nicht über­all gewährleisten“. 

Autos aus der Innenstadt – aber sinnvoll

Die Liste an Kri­tik­punk­ten der Bre­mer Fahr­rad­in­fra­struk­tur ist lang, eine bes­sere Park­raum­über­wa­chung, um Falsch­par­kende auf Rad­we­gen zu ver­mei­den und Rüt­tel­strei­fen oder Pol­ler zwi­schen Straße und Rad­weg sind nur zwei davon. Ander­orts wurde vie­les bereits erfolg­reich rea­li­siert, sowohl die Nie­der­lande als auch Däne­mark bie­ten in vie­len Städ­ten deut­lich siche­rere Rad­wege. Gene­rell sei jedoch auch wich­tig, ein grö­ße­res Bewusst­sein der Verkehrsteilnehmer:innen für­ein­an­der zu schaf­fen. Radfahrer:innen befän­den sich im stän­di­gen Kon­flikt mit Autofahrer:innen und Fußgänger:innen. 

Ein effi­zi­en­ter Weg, Unfälle zwi­schen Autos und Radfahrer:innen zu ver­hin­dern? Eine Innen­stadt ohne moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr, fin­det auch Still­ger. Aller­dings müsse solch ein Kon­zept vor der Umset­zung gut geplant wer­den. Ein­fach ‚nur‘ Autos aus Innen­städ­ten zu ver­ban­nen ver­stärke soziale Unge­rech­tig­kei­ten und grenze Men­schen aus. Eine Auf­sto­ckung der Kapa­zi­tä­ten und der Aus­bau des ÖPNV sowie Fahr­rad­schnell­stra­ßen kön­nen für einen rei­bungs­ar­men Über­gang sorgen. 

Wann es so weit sein könnte möchte ich noch von Paul Still­ger wis­sen, wäh­rend das Vogel­zwit­schern vor dem geöff­ne­ten Fens­ter durch das Sur­ren einer vor­bei­fah­ren­den Stra­ßen­bahn unter­bro­chen wird. „Ich denke 2040“ ent­geg­net er. „Man muss es als Gesamt­netz­pro­blem sehen“ – und dann ist es eben nicht mit dem Auf­stel­len von Ver­bots­schil­dern getan. 


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