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Gift-Deponie am Nationalpark
Gift-Deponie am Nationalpark

Gift-Deponie am Nationalpark

WWF, BUND und Nabu pro­tes­tie­ren gegen Ham­burgs Pläne, Hafen­schlick im Watt zu ver­klap­pen. Das gefährde das Öko­sys­tem. Auch eine Klage steht im Raum.

taz-Arti­kel

HAMBURG taz | Das Akti­ons­bünd­nis „Leben­dige Tideelbe“ hat Ham­burgs Pläne, Bag­ger­schlick aus der Elbe künf­tig vor der Insel Scha­r­hörn im Wat­ten­meer zu ver­klap­pen, erneut scharf kri­ti­siert. Drei Tage vor Ablauf der Ein­wen­dungs­frist hat der Zusam­men­schluss aus WWF, BUND und Nabu dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Bereich der Ver­klap­pung direkt an ein fünf­fa­ches Natur­schutz­ge­biet angrenzt.

Das Areal liegt zwar in der Fahr­rinne der Elbe, die wegen ihrer Bedeu­tung für den Schiffs­ver­kehr vom Natur­schutz­ge­biet aus­ge­nom­men ist. Es grenzt jedoch auch unmit­tel­bar an das Welt­na­tur­erbe Wat­ten­meer. Das fin­det Lucas Schä­fer, Geschäfts­füh­rer des BUND Ham­burg, „absurd und nur der Anma­ßung des Ham­bur­ger Senats und der Hafen­wirt­schaft zu ver­dan­ken“. Die Hafen­be­hörde Ham­burg Port Aut­ho­rity (HPA) setze sogar dar­auf, „dass die Schad­stoffe ver­dünnt wer­den und in die benach­bar­ten Schutz­ge­biete verdriften“.

Für das mit Schwer­me­tal­len und Schad­stof­fen belas­tete Bag­ger­gut der höchs­ten Schad­stoff­klasse 3 werde eigent­lich eine Ent­sor­gung an Land emp­foh­len, so Bea­trice Claus vom WWF. Die Ver­klap­pung vor Scha­r­hörn ver­letze außer­dem Schad­stoff­grenz­werte aus inter­na­tio­na­len Abkommen.

Vor einem Monat hat der Ham­bur­ger Senat mit einem Gut­ach­ten der HPA sei­nen Plan für die Ver­klap­pung vor­ge­stellt. Die Sedi­mente, die sich seit der mehr­stu­fi­gen Ver­tie­fung der Elbe in immer grö­ße­rer Menge ansam­meln, müs­sen abge­bag­gert wer­den, um auch gro­ßen Schif­fen die Zufahrt zum Hafen zu ermög­li­chen. Fluss­ab­wärts abge­la­ger­tes Bag­ger­gut spült die Tide mit der Zeit zurück in den Hafen. Dem Pro­blem soll das neuen End­la­ger für Hafen­schlick am Ästuar der Elbe, dem trich­ter­för­mi­gen Bereich der Fluss­mün­dung, ent­ge­gen­ge­wirkt werden.

Tricksen bei der Simulation

Die Ästuar­ex­per­tin bemän­gelt das Gut­ach­ten der HPA. Für das Modell, in dem die Ver­tei­lung von Sedi­men­ten rund um das Abla­ge­rungs­ge­biet vor Scha­r­hörn simu­liert wurde, seien die Aus­gangs­da­ten nicht nach­voll­zieh­bar gewählt wor­den. Die sind aber ent­schei­dend für die Aus­sa­ge­kraft der Simu­la­tion. „In die­ses Modell wur­den Ein­gangs­pa­ra­me­ter ein­ge­ge­ben, die mit der tat­säch­li­chen Ver­brin­gungs­me­thode gar nichts zu tun haben“, so Bea­trice Claus.

Bei­spiels­weise sei die Ver­klap­pung von 1.000.000 Kubik­me­tern Schlick in der Rea­li­tät für 196 Tage geplant, im Modell wur­den für die glei­che Menge nur 8,3 Tage berech­net. See­gang, Wet­ter, Sedi­mente eines Ver­klap­pungs­ge­bie­tes fluss­auf­wärts, unter­schied­li­che Korn­stär­ken des Bag­ger­guts im Ver­gleich zum Watt – all diese Fak­to­ren seien im Gut­ach­ten nicht oder allen­falls man­gel­haft behan­delt wor­den. Eine hin­rei­chende Lang­zeit­pro­gnose fehle ebenfalls.

Vor allem Tiere könn­ten unter der Belas­tung der Schad­stoffe lei­den, so Claus. Schwer­me­talle, über gefres­sene Fische auf­ge­nom­men, lie­ßen die Eier bestimm­ter Vogel­ar­ten brü­chig wer­den, Muscheln wür­den durch das getrübte Was­ser in ihrer Fil­ter­funk­tion behin­dert, die Ände­rung der Korn­größe im Watt ver­dränge Tiere wie den Sand­aal. Der ist aber wie­derum Nah­rungs­grund­lage der Brandseeschwalbe.

Die Schad­stoffe erreich­ten so über die Nah­rungs­kette mit­tel- oder unmit­tel­bar alle Lebe­we­sen im betrof­fe­nen Bereich. Das Bünd­nis geht nicht davon aus, dass die Ver­dün­nung der Schad­stoffe durch die zeit­lich ver­setzte Aus­brei­tung des Hafen­schlicks in die angren­zen­den Natur­schutz­ge­biete der Län­der Ham­burg, Nie­der­sach­sen und Schles­wig-Hol­stein aus­reicht, um lang­fris­tige Schä­den zu verhindern.

Helfen soll eine „Hafenkooperation“

Als Lösung für das Pro­blem der Ver­schli­ckung im Ham­bur­ger Hafen kommt für das Bünd­nis aus­schließ­lich eine län­der­über­grei­fende Hafen­ko­ope­ra­tion ins Spiel. „Nur mit einer stra­te­gi­schen Koope­ra­tion der See­hä­fen Wil­helms­ha­ven, Bre­mer­ha­ven und Ham­burg könn­ten die Bag­ger­men­gen sub­stan­zi­ell redu­ziert wer­den“, tei­len die Umwelt­ver­bände in einer Pres­se­mit­tei­lung mit. Kurz gesagt, for­dern die Umwelt­ver­bände, die Elbe wie­der ver­san­den zu lasen und Schiffe mit gro­ßem Tief­gang in Bre­mer­ha­ven oder Wil­helms­ha­ven teil­weise zu ent­la­den, so dass sie Ham­burg spä­ter den­noch anlau­fen könnten.

Ein Fest­hal­ten an den der­zei­ti­gen Plä­nen der HPA sieht Lucas Schä­fer als äußerst unklug. „Mit sei­nem jet­zi­gen Vor­ge­hen in Sachen Scha­r­hörn iso­liert sich Ham­burg in der Hafen­po­li­tik end­gül­tig von den Nach­bar­län­dern. Das ist weder poli­tisch sinn­voll noch für den deso­la­ten Zustand der Elbe ver­nünf­tig“, meint der BUND-Vorsitzende.

Sollte der Ham­bur­ger Senat auch nach Prü­fung aller Ein­wände noch zu dem Schluss kom­men, die Ver­klap­pung von Schlick vor der Insel Scha­r­hörn sei eine gute Idee, behal­ten sich die Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen eine Klage gegen den Ein­griff vor. Mit Anwalt Rüdi­ger Nebel­sieck prüft das Bünd­nis momen­tan alle Mög­lich­kei­ten, das Unter­fan­gen juris­tisch abzu­wen­den. Auf der Web­site kein-gift-ins-watt.de haben die NGOs eine Peti­tion gegen die Ver­klap­pung gestartet.


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